(Überlegungen zur politischen Ausrichtung der AfD von Wolfgang Hübner, Freie Wähler Frankfurt, Text übernommen von PI)
Nach dem knapp verpassten Einzug der Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag steht die neue Partei jetzt vor der Aufgabe, sich inhaltlich und organisatorisch zu stabilisieren. Das wird schwierig und gefahrvoll genug sein. Doch noch ungewisser wird die Weiterexistenz der AfD ohne die Erlangung von Klarheit über die grundsätzliche politische Ausrichtung. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Dilger hat in einem Diskussionsbeitrag, der übrigens eine gewisse Rat- und Orientierungslosigkeit erkennen lässt, einige Möglichkeiten dieser künftigen Grundausrichtung aufgezeigt.
• Erstens: Die AfD will eine politische Halbleiche beerben und künftig die FDP 2.0 ohne Euro werden. Dabei hofft sie auf massenhaften Zulauf von ehemaligen Wählern der Liberalen.
• Zweitens: Die AfD orientiert sich konservativ bzw. wertkonservativ und wird endlich die CDU, die es so nie gegeben hat. Dabei muss aber geklärt werden, was konservativ in der Realpolitik bedeutet.
• Drittens: Die AfD zwinkert nicht nur ab und zu verstohlen mit sogenannten rechtspopulistischen Positionen, sondern bekennt sich zu diesen, um irgendwann so erfolgreich zu sein wie die FPÖ in Österreich.
• Viertens: Die AfD positioniert sich linkspatriotisch und versetzt damit der SPD den endgültigen Todesstoß, büßt aber damit fast jegliche Anziehung auf bürgerliche Schichten ein und muss zudem ihr Personal auswechseln.
• Fünftens: Die AfD richtet sich darauf ein, eine freiheitliche neue Bewegungs- und Volkspartei zu werden, in der verschiedene Strömungen sich zu gemeinsamer politischer Schlagkraft vereinen.
Der Autor dieser Überlegungen will schon an dieser Stelle nicht verschweigen, dass er die letzte Variante der Grundausrichtung für die richtige und zukunftsweisende, allerdings auch für die anspruchsvollste erachtet. Schauen wir uns aber zuvor die anderen Varianten näher an.
Zu Erstens:
Die Versuchung, Nachlassverwalter der FDP zu werden und als FDP 2.0 ohne Euro ein sicheres Plätzchen im Parteienspektrum zu ergattern, sollte nicht gering veranschlagt werden. Besonders ausgeprägt wird sie bei all jenen sein, die sich in der AfD zu liberalen und libertären Strömung zählen. Dilger sympathisiert offen damit, hat aber auch nur allzu berechtigte Zweifel an den Erfolgsaussichten dieser Variante. Denn die FDP, aus der er selbst und viele andere AfD-Mitglieder stammen, ist zwar derzeit halbtot, aber eben nicht ganz tot. Es gibt einflussreiche, sehr finanzstarke Kreise, die nach wie vor Interesse an der Existenz der FDP haben, allerdings an einer wirtschaftsliberalen Partei, die am Euro festhält und zuverlässiger Beschaffer bürgerlicher Mehrheiten ist und bleibt.
Sollte mit tatkräftiger Unterstützung dieser Kreise die FDP doch noch einmal wiederbelebt werden, stünde eine liberal-libertät ausgerichtete AfD ziemlich überflüssig und ohne jede Massenbasis in der politischen Landschaft herum. Zudem würden schon vorher die meisten konservativen, freiheitlich-national, christlichen und rechtsdemokratischen Mitglieder die AfD verlassen haben. Diejenigen, die derzeit recht aktiv auf eine liberal-libertäre Orientierung der AfD zielen, sollten wissen, dass sie damit die Existenz der neuen Partei aufs Spiel setzen.
Zu Zweitens:
Für all jene, die aus der CDU schon früher oder kürzlich geflüchtet sind, weil die Merkel-Partei auch noch die allerletzten Reste konservativer und nationaler Gesinnung verbannt hat, ist die AfD schon deshalb attraktiv, weil man hier diese Gesinnung – jedenfalls bislang – bekennen und leben kann. Allerdings heißt es nun zu klären, was konservative Positionen in den verschiedenen Feldern der Realpolitik eigentlich sind und wie durchschlagskräftig sie in der weitestgehend sozialdemokratisierten Republik sein können. Und selbstverständlich kommen solche Positionen innerhalb der AfD ganz schnell in Konflikt mit liberal-libertären Standpunkten bei Themen wie Abtreibung, Homosexualität, aber auch Privatisierung, Bevölkerungspolitik und Zuwanderung.
Eine konsequent konservative Ausrichtung ist nur bei einer Einengung der AfD möglich, die ebenso schädliche Folgen haben würde wie die Einengung auf einen liberal-libertären Kurs. Massentauglich ist ohnehin die eine wie die andere Ausrichtung nicht. Ohne diese Massentauglichkeit sind aber keine Wahlresultate möglich, die jenseits der Drei-Prozent-Marke liegen könnten.
Zu Drittens:
Der andauernde und weiter ansteigende Erfolg von sogenannten „rechtspopulistischen“ Parteien in Österreich, Frankreich oder Holland und anderen Staaten beweist, dass mit einwanderungs- und islamkritischen, dazu euro- und globalisierungskritischen Positionen Wahlen sehr erfolgreich bestritten werden können. Und wer wollte behaupten, die Probleme in Österreich und Frankreich seien größer als in Deutschland? Es gibt allerdings deutsche Besonderheiten, die bislang stabile Erfolge rechtspopulistischer Gruppen und Parteien verhindert haben.
Doch bereits der Achtungserfolg der keineswegs „rechtspopulistischen“ AfD signalisiert eine Veränderung des gesellschaftlichen und politischen Klimas in Deutschland, das künftig zumindest „rechtspopulistischen“ Positionen weit größere Wirkung als in der Vergangenheit sichert. Die AfD ist also gut beraten, solche Positionen inhaltlich und personell zu integrieren, will sie noch größeren Erfolg haben und das Aufkommen einer tatsächlich „rechtspopulistischen“ Partei mit Massenbasis verhindern. Das bedeutete keineswegs, wie Dilger vermutet, eine abschreckende Wirkung auf viele AfD-Mitglieder, sondern die Bindung etlicher jetziger Mitglieder und die künftige Gewinnung vieler neuer Mitglieder. Die seriöse Integration „rechtspopulistischer“ Inhalte macht aus der AfD keineswegs schon eine „rechtspopulistische“ Partei, sondern auf längere Sicht eine sehr erfolgreiche Partei.
Zu Viertens:
Die besonders guten Ergebnisse in den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern sind nicht zuletzt auf Kosten der Linkspartei gegangen. Und auch in den westlichen Bundesländern hat es einen relevanten Strom von früheren Wählern der Linkspartei hin zur AfD gegeben. Überraschend kann das nur für jene sein, die nie verstanden haben, dass Euro, EU, Globalisierung, Agenda 2010 samt Hartz 4 und Multikulti die negativsten Auswirkungen für die abschätzig genannten „kleinen Leute“ hatten und haben. Da die Linkspartei trotz aller Lafontaine-Flunkereien internationalistisch, also antinational orientiert ist, kann diese Partei vielen dieser „kleinen Leute“ nur eine vorübergehende Protestmöglichkeit, aber keinem befriedigende, dauerhafte politische Heimat bieten. Das betrifft in starkem Maße auch die SPD, die in totaler Verblendung den selbstmörderischen Euro- und Globalisierungskurs mitverfolgt.
Das könnte aber die AfD, wenn sie die entsprechenden Akzente in ihrer künftigen Sozial-, Familien-, Wirtschafts- und Einwanderungspolitik setzt. Die Hoffnungen bei denjenigen „kleinen Leute“, die sich bereits bei dieser Bundestagswahl für die AfD entschieden haben, ist groß, kann jedoch schnell enttäuscht werden und zur Abwendung führen. Allerdings wird die AfD von ihrer Entstehung, sozialen Zusammensetzung und Geisteshaltung keine linksbürgerliche oder gar sozialdemokratisierte Partei werden, wohl aber kann sie sich zu einer politische Kraft entwickeln, die neue, ganz andere Antworten auf die sozialen Fragen unserer Zeit entwickelt.
Zu Fünftens:
Ich hatte schon deutlich gemacht, diese Variante, nämlich die AfD als freiheitliche neue Bewegungs- und Volkspartei, zu bevorzugen. Wenn die ersten beiden Varianten keine Massenbasis bieten, die dritte Variante gescheut wird und die vierte Variante nur partiell möglich ist, bleibt auch nur dieser besonders anspruchsvolle, aber vielleicht auch besonders lohnende Weg. Um ihn erfolgreich zu beschreiten, bedarf es der ganz bewussten Entscheidung einer entschlossenen, willigen und starken Parteiführungsgruppe. Ohne diese Voraussetzung wird die Ausrichtung auf eine Bewegungs- und Volkspartei neuen Typs nicht gelingen.
Was aber ist nun diese Partei, zu der sich die AfD entwickeln soll?
Eine Bewegungspartei ist nicht nur eine Organisation, die politisch etwas bewegt, sondern es ist auch eine Organisation, die besonderer Teil einer Bewegung ist, also selbst bewegt wird und offen für die Bewegung ist und bleibt. Die Bewegung, auf die sich die AfD beziehen kann und muss, ist außerparlamentarisch wie sie selbst. Seit einigen Jahren hat sich, nicht zuletzt dank der Möglichkeiten des Internet, diese kritische Bewegung gegen den Parteienblock und die fast gleichgeschalteten Massenmedien formiert. Das Entstehen und der Erfolg der AfD wären ohne diese Bewegung nicht möglich gewesen, die immer noch wächst und in Anbetracht der bereits realen, mehr aber noch der kommenden gesellschaftlichen Probleme auch weiter wachsen wird.
Die AfD darf sich keinesfalls von dieser Bewegung abkapseln, sondern muss sich als organisierter Teil dieser Volksbewegung verstehen. Damit werden jedoch all diejenigen Mühe haben, die längere aktive Parteibiographien in CDU, FDP oder auch woanders vor ihrem Wechsel zur AfD hinter sich haben. Diese Mitglieder neigen dazu, ob nun bewusst oder doch eher unbewusst, die Verengung des geistigen und politischen Blickfelds, das eine Parteiangehörigkeit meist zur Folge hat, auch in der neuen Partei beizubehalten. Dagegen müssen diejenigen kämpfen, die nicht einfach nur eine weitere Partei in Deutschland haben wollen, sondern die Partei, die jetzt und in absehbarer Zukunft gebraucht wird.
Wenn die AfD eine Bewegungspartei sein will, müssen ihre Mitglieder nach Möglichkeit auch in Vorfeldorganisationen aktiv sein oder es müssen bestimmte Vorfeldorganisationen auf Initiative von AfD-Mitgliedern bzw. Kreisen zu bestimmten Themen gegründet werden. All das dient der Verknüpfung der Partei mit der Bewegung im Volk und ist die beste Gewähr dafür, dass die AfD tatsächlich keine FDP 2.0 ohne Euro wird.
Was ist nun mit der Volkspartei AfD? Mit einem Wahlresultat von knapp fünf Prozent klingt der Anspruch, Volkspartei zu sein oder zu werden, erst einmal ziemlich befremdlich, ja größenwahnsinnig. Doch dieses politische Prädikat hängt nicht von der derzeitigen Bedeutung bei Wahlen ab, sondern vom Charakter und der gesellschaftlichen Ausrichtung einer Partei. Derzeit gibt es unbestritten nur eine Volkspartei, nämlich die Union, die allerdings mehr noch als Staatspartei der deutschen Geschichte nach 1945 begriffen werden kann. Mit deutlichen Abstrichen ist auch die SPD noch eine Volkspartei, besonders was ihre kommunalen Verankerungen betrifft.
Hingegen ist die FPD eine bürgerliche Interessenpartei, die Grünen sind eine ideologisierte Zeitgeistpartei, die Linkspartei agiert als ideologisch klar ausgerichtete Protestpartei mit systemverändernder Zielrichtung. Die Versuchung für die AfD, sich in der Nische einzurichten, die mit ihrer Euro-Politik und anderen Defiziten die Union und die komatöse FDP ermöglichen, ist riesengroß. Damit würde aber auf bürgerlicher Seite nur die Zersplitterung fortgesetzt, die auf linker Seite bereits zur Existenz von Grünen, Linkspartei und Piraten neben der alten Tante SPD geführt hat. Wobei sehr unsicher wäre, ob auf die Dauer wirklich die Existenz einer weiteren bürgerlichen Partei mit beschränktem Programmkern gewährleistet sein kann, insbesondere bei der ja nicht ausgeschlossenen Regenerierung der FDP.
Das gute Wahlergebnis in den östlichen Bundesländern und die erhebliche Zahl von bisherigen Linkswählern, die nun der AfD ihre Stimmen gegeben haben, lassen die Chancen, ja die Notwendigkeit erkennen, die neue Partei nun auf das gesamte Volk, also alle relevanten sozialen Schichten und gesellschaftlichen Gruppen auszurichten. Diese Orientierung bedingt eine unbedingte Absage an die Variante „FDP 2.0 ohne Euro“, kann aber auch kein Weg hin zu einer konservativen Partei (zweite Variante) oder zu einer ausschließlichen „Kleinen Leute“-Partei (vierte Variante) sein. Wohl aber muss die freiheitliche neue Volkspartei wesentliche Elemente, die von der Linken und dem gesamten Parteienblock als „rechtspopulistisch“ diffamiert und diskriminiert werden, tatsächlich aber nur den Realitäten angemessen und daher vernünftig sind, integrieren – übrigens auch eine fundierte Kritik an den Islamisierungstendenzen in Deutschland.
Und die freiheitliche neue Volkspartei AfD muss ein soziales Profil erarbeiten, das sie einwandfrei jedem Verdacht entzieht, unter dem Deckmantel der Euro- und EU-Kritik lediglich die Interessen begüterter Besitzender und wohlhabender Pensionäre zu bedienen. Das kann durchaus so geschehen, dass Liberale und Libertäre nicht vertrieben, sondern zu fruchtbaren Auseinandersetzungen motiviert werden. Denn selbstverständlich darf eine freiheitliche neue Volkspartei AfD keine sozialdemokratisierte Organisation werden – davon gibt es genug.
Aber eine Partei, die ganz bewusst auch von Menschen mit kleinem Einkommen oder in prekären Arbeitsverhältnissen gewählt werden soll, kann keine FDP 2.0 sein. Wer die AfD in diese Richtung drängt – und das geschieht derzeit offenbar massiv! – handelt gegen die mittel- und langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten der Partei. Dass der etablierte Parteienblock daran Interesse hat, ist verständlich. Alle weitsichtigen Mitglieder der AfD können aber nur Interesse am Aufbau einer freiheitlichen neuen Volkspartei haben. Ohne dieses Ziel wird das Projekt „Alternative für Deutschland“ mit Sicherheit scheitern.
*Text gefunden auf der Facebook-Seite „Freunde der Alternative für Deutschland“ – im Original erschienen auf der Facebook-Seite von Wolfgang Hübner